Man stelle sich vor, die größten Konzerne der Welt stellen ihre Quartalszahlen vor und keiner schaut hin! Zumindest zu Beginn der Berichtssaison in den USA für das zweiten Quartal sieht es genau so aus. Ob der Aluminiumhersteller Alcoa – der ja traditionell den Startschuss für den Zahlenreihen gibt – an diesem Montag nach US-Börsenschluss tatsächlich einen Gewinnsprung vermeldet oder nicht, ist derzeit fast nebensächlich. Denn die Eurokrise, die nun auch Italien zu erfassen scheint, und das endlose Politikergezänk um die Anhebung des Schuldenlimits in Washington absorbieren weitgehend die Aufmerksamkeit der Investoren.
Früher oder später werden die Märkte sich aber wieder den – insgesamt sehr positiven – Firmennachrichten aus den USA zuwenden und sei es nur, weil sich die Negativschlagzeilen aus Washington und von der Euro-Front abnutzen.
Auch in dieser Berichtssaison wird sich wieder zeigen, dass es den großen US-Konzernen besser geht als der Konjunktur des Landes. Einer Umfrage von Thomson-Reuters zufolge haben die im S&P-500 vertretenen Firmen vertretenen Firmen ihren Gewinn in den vergangenen drei Monaten um gut zehn Prozent gesteigert. Der Grund sind boomende Geschäfte im Ausland – vor allem in Asien – und Kostensenkungen im Heimatland in Form von Stellenstreichungen.
Die große Frage ist: Können sich die Konzerne dauerhaft von der Wachstumsschwäche in den USA abkoppeln? Vorläufig vermutlich schon. Zumindest dann, wenn der Ölpreis weiter sinkt oder zumindest nicht steigt. Denn dann machen sich die Kostensenkungen der vergangenen Monate weiterhin direkt in den Gewinnen bemerkbar.
Zweite Vorraussetzung: Das Wachstum in China und Indien darf nicht weiter so stark fallen. Die Chancen stehen zumindest für China gut, dass die Regierung die Geldpolitik in der näheren Zukunft nicht übermäßig strafft, so dass das Wachstum nicht abgewürgt wird.
Aber das alles gilt freilich nur, wenn die Politik in Washington die Zahlungsunfähigkeit bis zum 2. August vermeiden kann. Ob die Parteien einen Kompromiss finden werden, ist mehr als fraglich. Am Sonntag brachen die Gespräche mal wieder zusammen. Besorgniserregend ist das Beispiel des Bundesstaates Minnesota. Weil sich die Politik dort nicht auf einen neuen Haushalt einigen kann, ist die Regierung bereits in der zweiten Woche zahlungsunfähig, das Rating ihrer Anleihen wurde bereits herabgestuft und viele öffentlichstaatlich Beschäftigte suchen sich schon neue Jobs.
Kein gutes Omen für die Verhandlungen in Washington. Aber wie heißt es im Abstiegskampf in der Bundesliga so schön: “Die Hoffnung stirbt zuletzt!”